Fabienne von der Hocht

Wie wird man eigentlich… Kirchenmalermeisterin?

Fabiennes Aufgabe ist es, Altes zu erhalten und Kulturgüter zu schützen.

„Drei Wünsche auf einmal? Das geht nun wirklich nicht!” Die Berufswahl von Fabienne von der Hocht erinnert an einen Werbespot für ein beliebtes Schokoladenei. Denn kurz vor dem Schulabschluss suchte der Spross einer Malerfamilie eine Profession, in der sich Kunstgeschichte, Kreativität und praktisches Arbeiten vereinbaren ließen. Durch Zufall entdeckte sie das seltene Handwerk der Kirchenmaler, das genau diese Bedürfnisse erfüllt. Und lernte in Süddeutschland, historische Farbrezepturen herzustellen und Wandmalereien, Figuren oder Altäre fachgerecht zu restaurieren. Mit dem Meistertitel im Gepäck kehrte die Krefelderin in die Heimat zurück, um mit Leidenschaft und Fingerspitzengefühl alten Dingen neuen Glanz zu verleihen. Ein Besuch in ihrer eigenen Werkstatt.

Dass Fabienne von der Hocht eigentlich Vergolderin werden wollte, kann sie nicht ganz verhehlen: Auf dem Rücken des Hoodys prangt in goldenen Lettern „Kirchenmalermeisterin“, filigrane Goldkleckse zieren ihre Webseite und das Instagram-Profil. Auch bei ihrem Meisterstück hat sie sehr viel Blattgold verwendet und damit ein glänzendes Ergebnis erzielt. Doch die größere Vielfalt der Kirchenmalerei und Denkmalpflege habe sie letztendlich überzeugt, diesen ebenso raren Berufsweg einzuschlagen, sagt sie mit einem gewinnenden Lächeln, während ihre Augen leuchten. „Vergolder und Kirchenmaler werden in der gleichen Klasse unterrichtet – an der einzigen Berufsfachschule in München“, erinnert sich die 33-Jährige an ihren Sprung ins kalte Wasser nach dem Abitur. Für vier Jahre zieht es die Krefelderin an den Chiemsee, wo sie das alte Handwerk „von der Pike auf“ in den Neubauer Restaurierungswerkstätten lernt und zahlreiche Tage auf Baustellen in Bayern und Österreich verbringt. Den Umzug hat die sportliche wie kreative Frau nie bereut: „Meine Eltern haben mich früh zur Selbstständigkeit erzogen, sodass ich mich auch weit weg von zu Hause wohlfühlen konnte. Die Region ist toll und bietet gute Möglichkeiten für aktiven Freizeitsport!“

Das Malerhandwerk liegt in ihrer Familie, seit fünf Generationen besteht die Malerwerkstatt in Krefeld-Oppum. Ob die Absolventin der Marienschule die Familientradition fortsetzen würde, stand zunächst in den Sternen, sprudelt es aus Fabienne hervor. „Ich musste lange überlegen, ob ich studieren soll – vielleicht Architektur – oder eine Ausbildung beginne“, blickt die Krefelderin auf ihre Anfänge zurück. Etwas Kreatives sollte es sein, schließlich sei sie im Leistungskurs Kunst gewesen und habe sich früh für Kunstgeschichte und künstlerische Arbeit interessiert. „Schon als Kind hörte ich Hörbücher und malte vor mich hin, am liebsten die Raupe Nimmersatt“, erzählt sie lachend. Auch regelmäßige Besuche auf dem Flachsmarkt seien ein Grund für ihre Berufswahl gewesen. „Mein Vater hat mich nie in eine Richtung gedrängt, letztendlich bin ich zufällig im Internet auf die Kirchenmalerei gestoßen. Dass mein Großvater zu einer Tagung der Kirchenmaler nach München eingeladen wurde und ich an seiner Stelle teilnehmen konnte, war Fügung.“ Die Grübchen in ihren Wangen vertiefen sich. Fabienne lernt Reiner Neubauer, Chef ihres Ausbildungsbetriebs kennen, und ergattert einen Praktikumsplatz. In der Zeit zwischen schriftlicher und mündlicher Abiturprüfung muss sie in Bayern ihr kreatives und praktisches Talent unter Beweis stellen. Mit den Worten „ich nehme nicht jede“ habe Neubauer der Schülerin erst einen Dämpfer versetzt. Doch ihre Kunstmappe überzeugt, und sie kann fern der Heimat die Ausbildung zur Kirchenmalerin beginnen.

Kleiner, aber gewichtiger Unterschied zum gewöhnlichen Maler: Kirchenmaler arbeiten mit Pinsel und Bürste statt mit Rolle.

Altäre, Kirchenbänke und Kanzeln, Orgeln, Skulpturen, Gewölbe, Wandflächen und Kirchenfassaden sind von nun an ihre Arbeitsgebiete. Aber auch nicht sakrale Bauwerke durch fachgerechte Sicherung, Restaurierung, Konservierung und – wo sinnvoll – Restaurierung vor dem Verfall zu schützen, verstehen Kirchenmaler als Schwerpunkt ihres Wirkens. Tätigkeiten, die Sorgfalt und Präzision, sehr gute Kenntnis alter Techniken und historischer Rezepturen sowie kunstgeschichtliches Wissen voraussetzen, betont der Zentralverband des Deutschen Handwerks auf seiner Homepage. „Kirchenmaler nehmen ihre Farben selten aus den Eimern der Industrie, sondern rühren sie nach historischen Vorbildern und aus natürlichen Rohstoffen selbst an.“ Das ist Fabienne ganz wichtig. „In meinem Kopf ist eine prächtige Sammlung an Rezepten für die Herstellung von Farben wie Kalktünche oder Öl- und Mineralfarben mit natürlichen Bindemitteln und Pigmenten entstanden“, unterstreicht sie selbstbewusst. „Und wir arbeiten mit der Bürste, niemals mit der Rolle.“ Auch das ein wichtiges Merkmal, das sie von herkömmlichen Malern und Lackierern unterscheidet. Fast jeden Monat gibt es in ihrem Ausbildungsbetrieb für die Azubis interne Schulungen. „Über das Jahr verteilt haben die Meister mit uns sieben bis acht Techniken vertieft“, berichtet sie. Sie lernt viel, will aber noch mehr wissen.

Da sie eh schon vor Ort ist, macht Fabienne pragmatisch „den Sack zu“ und hängt an die dreijährige Ausbildung direkt die Meisterschule dran – in München und in Vollzeit. Fünf Arbeiten werden insgesamt für die Meisterprüfung gefordert. Als Highlight betrachtet die Kirchenmalerin die Gestaltung einer Holzfigur der heiligen Apollonia von Alexandria. Die Patronin der Zahnärzte wird von Fabienne komplett neu gefasst und erhält dabei unter anderem ein polimentvergoldetes Gewand. „Diese Technik ist die Königsdisziplin des Vergolderhandwerks und bedarf sehr viel Übung“, sagt sie mit etwas Stolz in der Stimme. „Eine tolle handwerkliche Arbeit“, so sieht es auch die Prüfungskommission. Die sehr gute Abschlussnote sowie den „Meisterpreis der Bayerischen Staatsregierung“ erwähnt die begabte Handwerkerin jedoch nicht, es lässt sich in Presseberichten nachlesen.

2014 geht es für sie zurück nach Krefeld, um im elterlichen Betrieb die Sparte „Kirchenmalerei und Denkmalpflege“ aufzubauen. Die Liste der von ihr gestalteten Referenzen klingt wie ein Reiseführer über heimische Sehenswürdigkeiten: Hier finden sich die Statue des Bildhauers Balkenhol, das Gartenhaus vor Haus Esters, die Fischelner Rathausuhr, die Traarer Egelsbergmühle oder die City-Kirche St. Dionysius. „Ich möchte Altes erhalten und Kulturgüter schützen“, erklärt Fabienne schlicht ihre Motivation. Dass sie in ihrem Job grobe Arbeiten wie Putz abschlagen und feine Tätigkeiten wie Vergolden kombinieren könne, fasziniere sie bis heute. Ihre berufliche Reise ist dabei noch lange nicht am Ende angelangt. Auch wenn sie dem elterlichen Betrieb und besonders ihrem Vater viel zu verdanken hat, will Fabienne sich mehr auf eigene Stärken und Interessen fokussieren und ihr historisches Wissen in die Moderne übertragen. So gründet sie vor vier Jahren die Restaurierungs- und Kreativwerkstatt „Mein Unikat für Dich“ und zieht nach Essen. Zusätzlich zur Restaurierung sollen ihre Arbeiten für Privatkunden kreativ und individuell sein: Wandmalereien erneuern, handwerklich anspruchsvolle Oberflächen mit Blattmetall oder Mineralspachteltechniken gestalten, schöne alte Möbel „upcyceln“ oder liebevoll eine Zahndose dekorieren. Erst vor Kurzem habe sie den Schnabel einer Eule aus Wurzelholz vergoldet – „ein toller Effekt“ – und für eine Arztpraxis ein modernes Mandala auf Holz mit einem vergoldeten Untergrund gemalt, zählt sie aktuelle Projekte auf. Auch der nächste Termin als Ausstellerin auf dem Krefelder Flachsmarkt steht bereits in ihrem Kalender.

Die Liebe zum Gold wird die Kirchenmalerin wohl so schnell nicht verlieren. Fragt man Fabienne nach Wünschen für die Zukunft, kommt die Antwort prompt: „Ich möchte Fußstapfen hinterlassen!“ Sie ist auf einem guten Weg, und zum Glück hat die Werbung nicht immer recht.

meinunikatfuerdich.de

Fotos: Felix Burandt
Artikel teilen: